*** Vice - Der zweite Mann ***

vdzm kritik
 
Autor: Walter Hummer
      
Dick Cheney, George W.Bushs Vizepräsident, hat einen enormen Aufwand betrieben, um auf plumpe Art und Weise die Macht und das Vermögen einer kleinen Elite zu vermehren. Regisseur Adam McKay hat nun mit beträchtlichem Aufwand einen plumpen Film über diesen Mann gedreht.
 
9/11 als Gelegenheit ...
 
Am Beginn des Filmes sehen wir Dick Cheney als jungen Mann in Wyoming, wie er wegen betrunkenen Fahrens aufgehalten wird. Dann sehen wir eine eindrucksvolle Sequenz, in der Cheney am 11. September 2001 keine Sekunde zögert, nicht bloß die Kontrolle über die Regierung zu übernehmen, sondern sofort drastische Entscheidungen zu treffen. Wie wir heute wissen, haben diese Entscheidungen nicht nur den Verlauf dieser Krise bestimmt. Cheneys Entscheidungen am und direkt nach dem 11. September haben die Weltpolitik auf Jahrzehnte geprägt. Richard Bruce Cheney war vielleicht der mächtigste und einflussreichste Vizepräsident, den die USA je gehabt haben.
 
Regisseur Adam McKay hat sich vor drei Jahren bereits einmal eines wichtigen politischen Themas angenommen. “The Big Short“ wurde damals von vielen Kritikern gefeiert, obwohl der Film mit viel zu viel Dialog, grobem Humor und rechtschaffener Empörung komplett überladen war. Der Film wurde 2016 sogar mit dem Oscar für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Wie fällt im Vergleich dazu McKays neuer Film aus?
 
 
... für politische Reden …
 
Wenn “The Big Short“ dialoglastig war, dann droht „VICE - Der zweite Mann“ unter der Last des Dialogs unterzugehen. Natürlich kann man Politdramen nicht als Stummfilme inszenieren. Aber muss man uns denn alles immer und immer wieder erklären lassen? Steven Spielberg hat mit „Die Verlegerin (The Post)“ vor etwa einem Jahr ein Meisterwerk abgeliefert, das sich auch mit einer bedeutenden Krise der amerikanischen Politik beschäftigt hat. Und natürlich hatten Meryl Streep, Tom Hanks und ihre Kollegen in diesem Film viel Dialog zu sprechen. Aber Spielberg ließ seine Schauspieler „spielen“ und nicht bloß „erzählen“. Das Drama wurde dort auch über Blicke, Gesten und Haltung vermittelt. In „Vice“ werden die Inhalte nicht nur fast ausschließlich über den Dialog transportiert. Der Film hat sogar einen Erzähler, der uns alles was wir bereits gehört haben, nochmal haarklein erklärt. Nicht nur hier erinnert der Film an die wenig subtilen Dokumentationen von Michael Moore.
 
Christian Bale spielt Dick Cheney den allergrößten Teil des Films mit dem gleichen Gesichtsausdruck. Natürlich hat der echte Cheney kaum jemals ein besonders ausdrucksvolles Mienenspiel gezeigt. Aber Bales Ausdruck ändert sich im Verlauf dieses langen Films kaum jemals und vermittelt daher nur wenig. Auch seine Haltung ändert sich über die Jahrzehnte im Film praktisch nicht. Bale spielt Cheney bereits in den Szenen in den Sechziger Jahren als übergewichtigen Spiesser. Der echte Cheney war während seiner Zeit unter Nixon und Ford aber durchaus noch schlank. Auch während seiner Zeit als Verteidigungsminister unter Bush senior war Cheney niemals der feiste Fettwanst, als der er hier gezeigt wird. Nicht nur hier macht es sich der Film zu einfach und schießt mit seiner Überzeichnung übers Ziel hinaus.
 
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… und Taten ...
 
Jedem der sich nur oberflächlich mit amerikanischer Politik beschäftigt, muss klar sein, dass Dick Cheney für alles steht, was in den USA in den letzten Jahrzehnten schiefgelaufen ist. Dieser Mann war maßgeblich für die Fehlinformationen vor und währendes gesamten Irakkriegs verantwortlich. Er hat seinem langjährigen Arbeitgeber Halliburton Regierungsaufträge in Milliardenhöhe verschafft. Und er hat sich niemals bei dem Mann entschuldigt, dem er bei einem Jagdausflug ins Gesicht geschossen hat. Wenn es um den ehemaligen Vizepräsidenten geht, braucht man mit Spott und Hohn nicht zu sparen. Aber der Humor in diesem Film erinnert leider allzu oft an McKays frühere Filme wie „Anchorman“ und „Ricky Bobby“.
 
Wenn Kellner Alfred Molina dem elitären Kreis von mächtigen Männern ein Menü von undemokratischen Kunstgriffen zum Ausbau ihrer Macht und ihres Reichtums empfiehlt, ist das ein launiger Gag der eher in eine mittelmäßige Satireshow passen würde. Die Nahaufnahmen der zitternden Füße des Präsidenten und eines Kriegsopfers in der Parallelmontage wirken ebenso plump wie die Montage und anschließende Demontage von Präsident Carters Solar-Paneelen. Ein Gag mit einem Löwen der eine Gazelle erlegt kommt direkt aus der Klamottenkiste. Der Abspann in der Mitte des Films und die Unterhaltung des Ehepaares im Stil eines Shakespeare-Dramas sind einfach nur Gags um der Gags willen und werten den Film nicht annähernd so auf wie McKay das wohl gerne hätte.
 
Wenn im Film die Zeit zwischen Bushs „Mission Accomplished“-Rede und dem Amtsantritt Barack Obamas dann in gerade mal 5 Minuten abgewickelt wird, fragt man sich ob McKay für die letzten fünf Jahre dieser Regierung keine Schenkelklopfer mehr einfallen wollten. Der Einsatz des Lieds „America“ aus dem Musical „West Side Story“ am Ende entlässt uns im gleichen wenig subtilen Stil, der den ganzen Film geprägt hat. Auch so etwas kennen wir von Michael Moores Dokumentationen.
 
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... von Stupid White Men
 
Viel wurde über Christian Bales körperliche Verwandlung berichtet. Aber man fragt sich am Ende des Films, ob es die ganze Mühe und körperliche Belastung wirklich wert war. Christian Bale hat – im wahrsten Sinne des Wortes – viel auf sich genommen und erreicht damit nur wenig.
 
Dass Cheney ein skrupelloser Machtmensch war, wussten wir vorher. Über das warum, erfahren wir nur wenig. Wenn wir überhaupt etwas über den Antrieb von Dick Cheney erfahren, dann wegen Amy Adams („Arrival“) fantastischer Darstellung seiner Ehefrau Lynne. Adams spielt diese knallharte Person, die ihrer Zeit weit voraus und trotzdem so rückständig war, mit einer kompromisslosen Entschlossenheit. Man wünscht sich, der Film hätte sich mehr mit der Frau hinter dem zweiten Mann befasst.
 
Großartig ist auch die Leistung von Steve Carell („Foxcatcher“) als Donald Rumsfeld. Carell zeigt uns in wenigen Szenen kongenial einen mittelmäßigen Politiker und skrupellosen Opportunisten.
 
Sam Rockwell („Three Billboards“) liefert eine absolut authentische Darstellung von George W. Bush ab. Er gibt nicht nur die Unsicherheit und das Zögern des ehemaligen Präsidenten exakt wieder. Ebenso wie Carell als Rumsfeld sieht auch Rockwell seinem Vorbild viel ähnlicher, als Bale Cheney ähnelt.
 
Fazit
 
Mit enormem Aufwand hat Regisseur und Drehbuchautor Andrew McKay hier einen Film gemacht, der sicher gut gemeint, aber leider viel zu oft einfach nur plump gemacht ist, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ebenso wie damals bei „The Big Short“ wird über diesen Film in den nächsten Wochen viel gesprochen werden, bevor er dann bald wieder weitgehend vergessen sein wird.
 
 
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