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*** Cruella ***

 

ouatih kritik

Autor: Christopher Diekhaus
 
Eine legendäre Leinwandschurkin unter dem Brennglas: Die aus dem Zeichentrickklassiker „101 Dalmatiner“ und zwei Realverfilmungen bekannte Cruella de Vil bekommt von Disney eine eigene Origin-Story spendiert. In der Titelrolle zu sehen: Oscar-Preisträgerin Emma Stone.
 
Wie alles begann
 
Was hat Kinobösewichte zu den Menschen oder Wesen gemacht, als die sie uns in all ihrer Niedertracht begegnen? Diese Frage stellten sich in den letzten Jahren vermehrt Drehbuchautoren und Filmemacher. In Disneys Live-Action-Produktion „Maleficent – Die dunkle Fee“ beispielsweise fällt das Scheinwerferlicht auf die aus dem Zeichentrickstreifen „Dornröschen“ bekannte Gegenspielerin, deren Unbarmherzigkeit – so zeigt es der Film von 2014 – einem grausamen Verrat entspringt.
 
Todd Phillips wiederum beschreibt in „Joker“ den schockierenden Werdegang eines der größten Comic-Antagonisten überhaupt und orientiert sich dabei an fiebrigen Psychodramen der 1970er Jahre, wie sie etwa Martin Scorsese mit „Taxi Driver“ drehte. Bei „Netflix“ startete 2020 die Thriller-Serie „Ratched“, in der die Vorgeschichte der herzlosen Oberschwester Mildred Ratched aus Miloš Formans gefeierter Romanadaption „Einer flog über das Kuckucksnest“ beleuchtet wird. Leinwandschurken genauer unter die Lupe zu nehmen und ihre persönlichen Hintergründe auszuschmücken, ist ein Trend, der sich auch in Disneys Realfilm „Cruella“, einem Prequel zu „101 Dalmatiner“, manifestiert.
 
 
Nach Veröffentlichung der ersten Trailer zogen viele Beobachter Vergleiche zu „Joker“. Tatsächlich heben sich die beiden Werke trotz einiger inhaltlicher Parallelen in Ton und Aufmachung aber deutlich voneinander ab. Schon die zu Beginn einsetzenden Voice-over-Bemerkungen der im Schnelldurchlauf auf ihre Kindheit blickenden Cruella de Vil (Emma Stone) schlagen mit ihrer betont sarkastischen Art eine gänzlich andere Richtung ein. Geboren mit zur Hälfte schwarzen und weißen Haaren hat es Estella, so lautet ihr echter Name, vom Start weg nicht leicht.
 
Nirgendwo fühlt sie sich richtig aufgehoben. Und nicht selten kehrt sie ihr Cruella-Gesicht (von „cruel“ für „grausam“) nach außen, wie ihre Mutter Catherine (Emily Beecham) die widerspenstige Seite ihrer Tochter tauft. Als 12-Jährige fliegt Estella (Tipper Seifert-Cleveland) nach diversen Abmahnungen von der Schule und bricht mit Catherine anschließend nach London auf, um dort einen Neustart zu wagen. Ihr Versprechen, sich von nun an zu benehmen, hat jedoch nicht lange Bestand. Bei einem Zwischenstopp auf dem prunkvollen Anwesen Hellman Hall liefert sich Estella eine wilde Hetzjagd mit drei Dalmatinern, an deren Ende ihre Mutter in den Tod stürzt. Ein traumatisches Ereignis, das in seiner emotionalen Wucht aber leider nicht vollends zur Geltung kommen will.
 
Kurz darauf springen wir vom Jahr 1965 zur Mitte der nächsten Dekade und lernen die nun erwachsene Estella kennen, die ihre Haare inzwischen dauerhaft rot gefärbt trägt und mit den Gaunern Jasper (Joel Fry) und Horace (Paul Walter Hauser) in London ein gewieftes Trio bildet. Für ihre Diebeszüge entwirft die modebegeisterte junge Frau immer neue Verkleidungen. Eines Tages wird ihr allerdings bewusst, dass sie ihr Schaffen nicht mehr glücklich macht. Zu ihrem Geburtstag erhält sie nur wenig später von ihren Freunden eine erschlichene Anstellung im prächtigsten Bekleidungsgeschäft der Stadt. Estellas Traum, in die glamouröse Fashionwelt vorzudringen, scheint Gestalt anzunehmen. Nach einer mitreißenden Kamerafahrt durch das prunkvolle Kaufhaus landen wir aber an ihrem tatsächlichen Arbeitsplatz: dem Klo. Von ihrem Dasein als Putzfrau und dem herablassenden Verhalten ihres Chefs (wild grimassierend: Jamie Demetriou) genervt, dekoriert die betrunkene Estella eines Nachts das Schaufenster um und weckt dadurch das Interesse der Baroness (Emma Thompson), einer erfolgreichen und gefürchteten Modedesignerin. Unter den Fittichen dieser Szenegröße will sie endlich nach den Sternen greifen.
 
01 ©2021 Walt Disney Pictures02 ©2021 Walt Disney Pictures03 ©2021 Walt Disney Pictures04 ©2021 Walt Disney Pictures
 
Schwungvolle Emma Stone
 
Der von Craig Gillespie („I, Tonya“) inszenierte und von Dana Fox („How to Be Single“) und Tony McNamara („The Favourite – Intrigen und Irrsinn“) geschriebene Film vereint Licht und Schatten. Positiv sticht zweifelsohne die energiegeladene Darbietung Emma Stones hervor, die die unterschiedlichen Facetten ihrer Rolle lustvoll erkundet. Als schüchterne, mit aufregenden Ideen um die Ecke kommende Assistentin der Baroness überzeugt sie ebenso wie als provokante, an die DC-Antiheldin Harley Quinn erinnernde Fashionanarchistin im Punk-Stil. Unterhaltsam ist auch, wie Emma Thompson die nur um sich selbst kreisende, ihre Mitarbeiter schamlos ausbeutende, alles andere als klischeefreie Modezarin verkörpert. Ihre pointierte Performance kann allerdings nicht verhindern, dass sich die offen zur Schau gestellte Exzentrik der Figur mit der Zeit ein wenig abnutzt.
 
Wer aufwendige Kostüme und extravagante Frisuren liebt, dürfte in „Cruella“ fortwährend mit der Zunge schnalzen. Eindruck hinterlässt außerdem die abwechslungsreiche Songauswahl. Viele Szenen werden von schmissigen Musikstücken begleitet, die das Gezeigte kommentieren und für eine ordentliche Portion Dynamik sorgen. Dem Drive, den die im Kino und beim Streaming-Dienst Disney+ startende Origin-Story phasenweise entfacht, steht jedoch ein holpriges, mehrfach auf plumpe Mittel zurückgreifendes Drehbuch gegenüber. Bereits früh klingt an, dass der Zuschauer Zeuge einer eher unkonventionellen Emanzipationsgeschichte werden soll. Estellas Charakterbogen, der zwei markante Enthüllungen bereithält, hat durchaus Potenzial. Das Dilemma fängt aber schon damit an, dass man den rebellischen Geist in den Kindheitspassagen zu Beginn nur schwach erkennen kann.
 
Das Mädchen fällt in einigen Momenten gewiss aus dem Rahmen. Und doch wirkt der Spitzname Cruella überzogen. Noch störender ist der krampfhaft-abrupte Wandel, den die Protagonistin nach einer unschönen Offenbarung im zweiten Akt vollzieht. Mit der Brechstange holt der Film hier ihre dunkle Seite hervor. Einen faden Beigeschmack hinterlässt ferner der in Teilen arg platte Humor. Paul Walter Hauser etwa wird als ständig essende Dumpfbacke inszeniert. Wenn das, was Horace manchmal von sich gibt, wirklich witzig sein soll, haben Gillespie und Co ein seltsames Verständnis von Humor. Vorhalten muss man den Machern nicht zuletzt, dass sie Charakterkopf Mark Strong mit einer faden Erklärbärrolle abspeisen. Das Eingreifen seiner Figur in die Handlung zeugt von einer gewissen Denkfaulheit der Autoren.
 
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Fazit
 
Der Disney-Realfilm „Cruella“ serviert uns die Origin-Story einer berühmten Kinoschurkin und punktet dabei mit einer gut aufgelegten Hauptdarstellerin und einem opulenten Look. Erzählerische Baustellen ziehen das Gesamturteil aber ein ganzes Stück nach unten.
 
 
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