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Kritik: Together

 
dfdh kritik
 
Autor: Walter Hummer
 
Die Corona-Pandemie hat alles verändert. Vieles wurde infrage gestellt. Unser Leben läuft seit zwei Jahren anders ab. Wäre es dann nicht auch Zeit, andere Filme im Kino zu sehen? Vielleicht einen Film, der vieles infrage stellt? Der anders abläuft als andere Filme?
 
Nobody seems to know anything
 
Sharon Horgan und James McAvoy spielen eines dieser Paare, die wir alle kennen. Man ist einander schon lange nicht mehr wirklich zugetan. Aber man gehört der gehobenen Mittelklasse an. Daher hat man ein Haus, ein Kind und noch andere gemeinsame Verpflichtungen die einen dann doch von einer Trennung abhalten, obwohl man außer dem Haus, dem Kind und den Verpflichtungen kaum noch etwas gemeinsam hat. Da wird plötzlich im März 2020 der Lockdown ausgerufen …
 
„Together“ ist der seltene Fall eines Films, der uns erkennen lässt wie unoriginell und teilweise sogar austauschbar die meisten anderen Filme doch sind. Vielleicht ist „Together“ nicht perfekt. Aber alleine, dass dieser Film mal etwas ganz anderes versucht und andere Wege geht, hebt ihn von fast allem ab was zur Zeit im Kino läuft. Bloß dafür, uns realistische Charaktere in realistischen Situationen zu zeigen und sich mit dem realen Leben auseinanderzusetzen, verdient er einen Oscar, sowie je eine Palme und einen Löwen aus Gold.
 
 
Die meisten Filmdramen zeigen nicht, wie Paare miteinander umgehen nachdem der Alltag die Verliebtheit aufgerieben hat. Wir sehen nie, wie Andie MacDowell nach Jahren einfach nur noch genervt reagiert, wenn Hugh Grant bei jedem Satz über die eigenen Worte stolpert. Wir erfahren nie, ob Julia Roberts Angst hat, Richard Gere könnte auf Geschäftsreisen wieder Prostituierte anheuern. Und wie glücklich wären Meryl Streep und Robert Redford wohl im kalten Dänemark geworden, wenn er nicht rechtzeitig mit dem Flugzeug abgestürzt wäre?
 
Die Handlung von „Together“ setzt gute zehn Jahre nach dem Zeitpunkt ein, an dem andere Filme zu Ende sind. Mann und Frau sind längst genervt voneinander. Im Lauf der Jahre ist einfach zu viel passiert in dieser Beziehung. Mann und Frau haben einander alles Mögliche vorzuwerfen. Sie teilen zwar viele gemeinsame Erinnerungen. Aber kaum eine davon ist schön.
 
Und Mann und Frau konzentrieren sich nur auf ihre eigenen Enttäuschungen, ihr eigenes Leid. Sie merken nicht, wie die lieblose Beziehung sie selbst verändert hat. Und sie merken nicht, wie sie und diese Beziehung ihren Partner verändert haben. Tatsächlich sprechen sie ihrem Partner ab, sich verändert zu haben. Der Partner war für sie immer ein furchtbarer Mensch. Mit dieser revisionistischen Wahrnehmung werten sie sich unterbewusst selbst ab und müssen daher den Partner abwerten. Dieser Teufelskreis bekommt durch den Lockdown einen neuen Drall.
 
01 ©2022 Universal Pictures02 ©2022 Universal Pictures03 ©2022 Universal Pictures04 ©2022 Universal Pictures
 
I hate your face
 
„Together“ geht dorthin, wo es weh tut. Und wenn es beim Zusehen besonders weh tut, dann weil wir uns vielleicht nicht selbst in den beiden Protagonisten erkennen wollen. Dieser Film ist absolut ehrlich. Um zu wirken, braucht er also ein Publikum das ehrlich zu sich selbst ist. Wer sich „Together“ mit der Einstellung der frommen Helene „Gott sei Dank! Ich bin nicht so.“ ansieht, dem wird sich dieser Film kaum richtig erschließen können.
 
Obwohl in dem Film viel gesprochen wird, wird uns niemals die Handlung erklärt. Die Protagonisten sprechen nicht über ihre Gefühle. Sie vermitteln diese Gefühle durch ihre Unfähigkeit, ehrlich über diese zu sprechen. Und das alles lässt uns die Probleme dieser beiden Menschen intensiv miterleben, weil wir doch alle schon Situationen erlebt haben, in denen Worte ebenso dringend nötig wie absolut unzulänglich waren. An einer der besten Stellen heißt es: “I’m trying to say, I sort of love you. And I’m just asking, is that enough?“
 
Wenn der Film grundlegende Wahrheiten über zwischenmenschliche Beziehungen vermittelt, dann niemals mit erhobenem Zeigefinger. Vielleicht kommt das nach meinen bisherigen Ausführungen überraschend, aber dieser Film ist extrem unterhaltsam. In Zeiten, in denen Superhelden, Riesenmonster und außerirdische Roboter einander nie unter zweieinhalb Stunden bekämpfen, kommen einem die gerade mal anderthalb Stunden von „Together“ erfrischend kurz vor. Dieser Film ist keine Minute langweilig und keine Minute zu lang.
 
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Für wenig Geld an gerade mal 10 Drehtagen für die BBC gedreht, vereint „Together“ in sich viele Vorteile des Theaters mit denen des Films. Wenn die beiden großartigen Hauptdarsteller in langen Einstellungen teilweise direkt zum Betrachter sprechen, erzeugt das Nähe und Intensität wie man sie im Film nur selten vermittelt bekommt. Wenn Mann und Frau zu Beginn des Films vor allem übereinander sprechen und erst im Laufe des Films öfter und länger zueinander und irgendwann miteinander sprechen, erkennen wir, Probleme in der Beziehung sind immer auch Kommunikationsprobleme.
 
Englischsprachige Kritiker haben sich teilweise daran gestoßen, dass die Protagonisten direkt in die Kamera sprechen. Natürlich kann man dieses „breaking the fourth wall“ als billigen Trick betrachten. Vielleicht kennen diese Kritiker bloß Sitcoms und Superheldenfilme und waren schon länger nicht mehr im Theater, wo dieser „Trick“ seit der Antike praktiziert wird. Und was soll’s, wenn der Trick und damit der ganze Film hervorragend funktionieren? Drehbuchautor Dennis Kelly hat bisher vor allem für das Theater geschrieben. Trotzdem klingen seine Dialoge niemals theatralisch, sondern immer nur realistisch. Regisseur Stephen Daldry hat so unterschiedliche Filme wie „Billy Elliot“, „The Hours“ oder „Der Vorleser“ inszeniert, aber auch immer wieder am Theater gearbeitet. Zusammen sorgen diese beiden Künstler nicht nur für ein Filmerlebnis, das auf ganz unspektakuläre Weise großartig ist. Sie liefern den Rahmen für ein Fest für zwei Schauspieler.
 
I don’t want to go back to normal
 
Sharon Horgan ist in Großbritannien als Autorin, Regisseurin und Schauspielerin bekannt und bei uns noch gar nicht. Nur hier auf cineprieview.de wurde ihre Leistung in einer Nebenrolle den Lesern bereits 2018 als das Beste an dem Film „Game Night“ als Herz gelegt. Horgan spielt eine moderne Frau mit all ihren Schwächen und Fehlern. Ihre Figur verwechselt Empfindlichkeit mit Sensibilität und Aggressivität mit Kraft und ist uns recht schnell ebenso unsympathisch wie vertraut.
 
Die von Horgan gespielte Frau muss sich im Lauf der Handlung mit Verlust auseinandersetzen. Sie muss lernen, dem Mann nicht nur mit Vorwürfen zu begegnen und ihren Partner tatsächlich kennenlernen zu wollen. Sie muss lernen, dass man Aufrichtigkeit nicht immer nur fordern kann, sondern auch aushalten muss. Wenn wir diese Entwicklung ohne weiteres nachvollziehen können, dann wegen der Leistung einer großartigen Künstlerin und echten Menschendarstellerin.
 
James McAvoy kennen wir in den letzten Jahren vor allem als jungen Professor Charles Xavier oder aus Filmen wie „Es Kapitel 2“, „Split“ und „Glass“. Aber McAvoy kommt auch von der Bühne und hat sich schon früh in Filmen wie „Abbitte“ als Charakterdarsteller bewährt. In „Together“ zeigt er seine beste Leistung seit langem. McAvoy spielt den Mann in der Krise. Weil er sich durch die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit seiner Frau bedroht fühlt, muss er sie herablassend behandeln. Er liebt seinen Sohn, achtet aber immer darauf, ob dieser hören kann was der Vater über ihn sagt.
 
Der Mann berichtet bereits in einer frühen Szene, wie furchtbar er eine Supermarktmitarbeiterin behandelt hat und ist ganz allgemein ein unsicheres Würstchen. Trotzdem bleibt McAvoy immer nahbar und authentisch, ohne sich anzubiedern. Wenn am Ende seine Ängste aus ihm hervorbrechen, können wir das mitfühlen, weil McAvoy eben diese Ängste von Anfang an immer subtil vermittelt hat.
 
Die englischsprachige Originalversion bietet noch eine Besonderheit: James McAvoy spielt die Rolle mit seinem eigenen schottischen Akzent, den wir im Kino sonst kaum jemals zu hören bekommen.
 
Fazit
 
Dieser Film zeigt uns Menschen in der Krise ganz ohne großes Drama und ist deshalb anders als andere Filme. Dieser Film stellt Fragen, die im Film kaum jemals gestellt werden und ist damit auch die Antwort auf eines der schwächsten Filmjahre aller Zeiten. Dieser Film macht Angst und unterhält und ist gerade deshalb etwas ganz Besonderes.
 
 
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